Konzepte:




Panta rhei – Alles flieszt

„Wir steigen in denselben Fluß und doch nicht in denselben,
wir sind es und wir sind es nicht.“

Heraklit


Für den vorsokratischen Philosophen Heraklit war der Fluß Sinnbild des Lebens. Von ihm stammt der Ausspruch: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen." Später wurde diese Aussage interpretiert und in verkürzter Form wiedergegeben als "Panta rhei - alles fliesst".
Leben ist also Bewegung, feste, unbewegliche Zustände von Dauer gibt es nicht, sie sind ein Konstrukt menschlichen Wunschdenkens...

Wahrnehmung von Bewegung

Jeder kennt die Situation in einem Bahnhof in einem haltenden Zug zu sitzen. Manchmal schaut man dann in diesem Moment gerade aus dem Fenster auf einen anderen, stehenden Zug, der sich nur ein Gleis weiter befindet. Und jeder kennt die Verwirrung wenn der Zug, in dem man sitzt, oder der zweite Zug, auf den man gerade schaut, sich in Bewegung setzt; diesen Augenblick der Orientierungslosigkeit, in dem die Frage auftaucht, welcher der beiden Züge nun eigentlich in Bewegung ist. Klarheit gewinnt man in dieser Situation meist nur dann, wenn man sein Augenmerk auf die den Zug umgebende Umwelt richtet und sich Gewissheit verschafft, welcher der Züge sich bewegt und welcher steht.

Etwas vollkommen Anderes aber doch Vergleichbares kann man in folgender Situation erleben: wenn man lange Zeit mit äußerster Ruhe und Konzentration auf einen Stein schaut, der aus der Strömung eines Flusses herausragt, so ergeben sich hieraus Erfahrungen, die zum Verständnis des Entstehungshintergrundes der Installation beitragen mögen. Diese seien hier in aller Kürze dargestellt.

Der Stein, der aus der Strömung herausragt wird vom Wasser umspült und leistet dieser Strömung Widerstand. Der Stein ruht, das ihn umfließende Wasser ist in Bewegung. Der Versuch, diese sich permanent wandelnde Form der fließenden Bewegung irgendwie festhalten zu wollen, ist aussichtslos. Man konzentriert sich also auf das Unbewegliche, man fokussiert den Stein.
Wenn man nun bei der Betrachtung des Steines das Umfeld außer Acht lässt, die den Stein womöglich umgebenden anderen Steine, nicht das Ufer im Blick hat, nur auf den einen Stein und das ihn umfließende Wasser schaut, so kann man nach geraumer Zeit etwas Erstaunliches feststellen: das Harte, Schwere, das Unbewegliche scheint sich in Bewegung zu setzen und das fließende Wasser kommt zur Ruhe. In der Betrachtung sieht es so aus, als würde der Stein wie ein "Wasserski" flussaufwärts gezogen.

Die Videoinstallation "Panta rhei - alles fliesst" will mit Hilfe eines Mediums, das Bewegung lediglich vortäuscht, diese umgekehrte Fließbewegung sichtbar machen.


Was man sieht:

Auf 5-7 kreisrund im Raum aufgestellten Bildschirmen sieht man, wie der oben beschriebene Stein langsam von Bildschirm zu Bildschirm wandert, einmal auch unsichtbar durch den Betrachter hindurch der einen freien Platz im Kreise der Bildschirme einnimmt (er ist selber auch ein Bildschirm, der das Bild aktiv in sich hineinnimmt) Der Stein ist also immer nur auf einem Bildschirm zu sehen und auf den anderen sieht man die immer im Kreis laufende Strömung des Flusses. Der Stein bewegt sich in die eine, die Strömung in die andere Richtung. Durch die im Kreis laufende Bewegung des Steines über die Bildschirme hinweg, scheint dieser in Bewegung zu sein.



Technik:

Von einem Boot aus, das an einem in der Strömung eines Flusses liegenden Stein vorbei treibt, wird eine Videosequenz aufgezeichnet. Es wird aus dem immer gleich bleibenden, wassernahen Aufnahmewinkel, etwa sieben Meter Wasseroberfläche vor und hinter dem Stein mit aufgezeichnet. Das Flussufer darf selbstverständlich nicht im Blickfeld sein. Die Strömung um den Stein herum muss ausgesprochen markant sein, es muss erkennbar sein, dass er sich gegen die Strömung "stellt". Die Wasserfläche vor und hinter dem Stein jedoch darf keine klaren, leicht wiedererkennbaren Strömungsverhältnisse aufweisen da die immer gleiche aneinander geschnittene Aufnahme mit Hilfe sorgsam ausgeführter Überblendungen zu einem endlos laufenden Film verbunden wird, der in der Mitte immer wieder denselben Stein zeigt.
Im Bilde des guten alten Zelluloid-Streifens gesprochen, würde dies bedeuten, dass der Anfang und das Ende des Filmstreifens zusammengeklebt werden und die Sequenz endlos im Kreis abgespult wird.
Mit Hilfe dieses aufzeichneten Materials werden sechs identische Filme geschnitten, die sich lediglich dadurch unterscheiden, dass sie an einer anderen Stelle der Aufzeichnung beginnen.

Später, beim Abspielen der Filme, beginnt der erste Film auf Bildschirm 1 exakt in dem Moment zu laufen, in dem der erste Zipfel des Steines am linken Bildrand erscheint. Der Stein gleitet nun nach rechts durch das Bild und verschwindet am rechten Rand des Bildschirmes wieder. Er "wandert" durch den schwarzen Zwischenraum zwischen den Bildschirmen. Auf dem ersten Bildschirm sehen wir nun weiterhin lediglich die Strömung des Flusses hinter dem Stein. Dann beginnt der 2. Film auf dem zweiten Bildschirm exakt an der Stelle zu laufen, an der auch der erste begonnen hat. Der Stein erscheint links im Bild, "schwimmt" durch das Bild und verschwindet rechts wieder. Wir sehen auch auf dem 2. Bildschirm das Wasser hinter dem Stein. Dieser Prozess wiederholt sich sieben Mal. (Einmal auch als "Aussetzer" im Fenster durch das der Betrachter in den Raum schaut). Nach einem kompletten Durchlauf beginnen die sieben Filme (sechs plus ein "vorgestellter" Film im Auge des Betrachters) nun als Endlos-Schleife zu laufen. Diese Sequenz wird nun wie beim ersten Durchgang auch, immer zeitversetzt um die Dauer eines Durchlaufes des Steines durch einen Bildschirm und durch den Zwischenraum bis zum nächsten Bildschirm, im Loop auf sechs absolut synchron laufenden Rekordern abgespielt. Alle sechs Rekorder zeigen also zeitversetzt die selbe endlos laufende Sequenz und immer durch einen der Bildschirme "schwimmt" der Stein, verschwindet ins Schwarz und taucht auf dem nächsten Bildschirm wieder auf, wandert langsam im Kreis, begleitet vom Rauschen des Flusses.


Der Aufbau der Videoinstallation:

Im Ausstellungsraum befindet sich ein kreisrunder Aufbau von 5-7 Bildschirmen die sich in etwa auf Augenhöhe des Betrachters befinden. Ein Platz im Kreis der Bildschirme ist ausgespart sodass sich der Betrachter in die Bildschirmrund hineinstellen kann. 5-7 mit den Bildschirmen verbundene, gleichgeschaltete Rekorder spielen ein und dieselbe etwa 60 Sekunden dauernde Video-Sequenz zeitversetzt, in einer Endlosschleife ab. Die sechs Rekorder werden von einem simplen Notebook aus per "Knopfdruck" in Betrieb gesetzt. Mit Hilfe eines Synchronisationsprogramms (Mastercue Mediensteuerung) werden die Rekorder zeitgleich angefahren. Ein zwischen die Rekordern eingebautes Cosumergerät und eine Syncbox takten framegenau das Abspielen der sechs DVD´s, so dass es zu keinen Zeitverschiebungen in der Darstellung der Filme kommt. Der gesamte Aufbau besteht aus leicht zu transportierenden Einzelelementen und auch die Technik ist übersichtlich und unkompliziert zu bedienen.