Teacup Storm - Ein Essay
Teil 5

Reutlingen Altstadt

Unsere letzte Station war ein kleiner Häuserblock in der Reutlinger Altstadt. Es regnete nun unablässig und wir mussten uns dicht an den Häuserfassaden halten, um nicht nass zu werden. An diesem Ort musste Esme sich wieder unter Menschen bewegen, eine Erfahrung, die abgesehen vom Birkenkopf an den letzten Stationen keine grosse Rolle spielte. Aber anders als beim Birkenkopf war hier ein anderes Publikum unterwegs. Es war Samstag Abend und der Kneipentourismus boomte. Die leicht aggressiv aufgeladene Stimmung hallte in den engen schmuddeligen Gassen des Viertels wieder.


"Eingezwängt zwischen Wänden, Menschen und Straßen: ich bewegte mich wie durch eine schluchtartige Stadt, die man auf dem Reissbrett entworfen hatte."


"Die Dunkelheit drückte aus jeder Richtung, der Regen fiel schwer vom Himmel. Ich war wie in einen Irrgarten gefangen."


"Mit jedem Schritt vorwärts fühlte ich mich lächerlicher. Ich war innerlich vollkommen unvorbereitet auf die Situation, plötzlich mit verbundenen Augen in einen Betrunkenen hineinzulaufen, nur mit einem Regenschirm als Sonde bewaffnet."


"Meine Müdigkeit und das Gefühl der Verwundbarkeit hatte einen signifikanten Einfluss auf die Vorstellungen von meiner Umgebung: die Gebäude, die ich mir an diesem Ort ausmalte, waren aus gewaltigen brutalen grauen Betonblöcken hergestellt; Wie in den Bauwerken der 60er Jahre, mit Stahlgitter-gerahmten Fenstern - ein fast lächerlicher Gegensatz zur Realität der Reutlinger Altstadt."

Kooperative Dürnau

"Um vier Uhr morgens kehrten wir nach Hause zurück. Nach dem Entfernen der Augenbinde waren meine Augen wund und ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren. Ich war nicht in der Lage, geradeaus zu gehen. Obwohl unglaublich müde, ich konnte nicht schlafen, und lag die ganze Nacht wach. Ich war unfähig meine Augen zu schließen. Vor mir spulte sich eine konstante Wiedergabe der vorgestellten Bilder ab. Die ganze Nacht lief ich durch meine imaginäre Wirklichkeit."

Ein langer Tag und eine lange Nacht lagen hinter uns. Esme entfernte ihre Augenbinde, nachdem sie zuvor bereits erraten hatte, dass wir wieder zu Hause angekommen waren. Am nächsten Tag bereits begann sie, einige der besuchten Stationen auf grossen Papierbögen zeichnerisch festzuhalten. In den folgenden Wochen wurde die Arbeit abgeschlossen.

Zeichnungen: Esme Brooker
Text: Esme Brooker (kursiv), Jan Hinrichs
Fotos: Hannah Hurst, Jan Hinrichs