Den Drachen verwandeln



Vor einigen Jahren erhielt ich von einer von mir in der Kindheit sehr verehrten und heute hoch geschätzten Persönlichkeit einen Drachen. Dieser Drache aus Pappmaché und einer Holzunterkonstruktion sah bei Tageslicht eigentlich eher wie ein Krokodil aus. Aber in seiner Funktion als Michaelische Mutprobe für kleine Kinder wurde er einmal im Jahr in einen dunklen Raum gestellt, mit Lichtern versehen, die ihn dann äusserst unheimlich aussehen liessen. Dieser Drache hatte ausgedient, er war in die Jahre gekommen. Ich wurde gebeten, ihn in unserer ländlichen Gegend bei Gelegenheit zu verbrennen. Ich nahm ihn also an mich und über etwa 2 Jahre hauste er dann auf unserem Dachboden und wartete der Dinge die da kommen sollten.

Eines Tages stiess ich auf einen Text von Ole Nydahl, einem Lama der Karma-Kagyü-Linie, der die Umwandlung von Störgefühlen (im christlichen Sprachgebrauch auch als Sünden bezeichnet) in die ihnen innewohnenden befreienden Weisheiten (Tugenden) beschreibt. Störgefühle ( im Buddhismus: Zorn, Anhaftung, Stolz, Dummheit, Eifersucht) als etwas, das durch liebevolle Selbsterkenntnis in etwas verwandelt werden kann, das dem Leben dient, das der Humus, der Rohstoff ist für etwas Neues, das aus diesen Störgefühlen hervorgehen kann.








So verwandelt sich der Zorn, wenn er sich im Geiste auflöst in „spiegelgleiche Weisheit“ (Einsicht), der Stolz in die Erfahrung von der „Vielseitigkeit und vom Reichtum aller Dinge“, die Anhaftung verwandelt sich in „unterscheidende Weisheit“, die Eifersucht in „Erfahrungsweisheit“ und die Dummheit wird zu „alles durchdringende Weisheit“.