Das magische Handwerk



Metallverwandlung durch Transmutation? Was ist so aufregend an dem Gedanken, Quecksilber in Gold zu verwandeln?

Man stelle sich vor:

Hätten wir Heutigen die Fotographie nicht, keine Kameras, keine Linsen, sondern hätten wir nur hingekritzelte Fragmente alter Alchemisten, die konstatierten, sie hätten in einem dunklen Kasten, mit einem stecknadelgroßen Loch, gestochen scharfe Abbilder der Welt erzeugt, unsichtbar, in einer hauchdünnen Schicht tierischer Substanz verborgen. Und ferner würden diese Alchemisten behaupten, sie hätten diese Bilder dem Lichte entlockt, und dieses Wunderwerk ins Silber gebannt und sie hätten es später, in einem dunklen Raum, bei rot abgeschirmtem Kerzenschein hervorgezaubert, seitenverkehrt, unräumlich und dauerhaft!

Was würden wir denken?




Wagner erschafft den Humunkulus, Kupferstich 19. Jahrhundert, Detail.
Quelle: Wikimedia Commons

Die Bromsilber Gelatine Emulsion

Wie sich in den verblassenden Farben, den vergilbenden Papieren oder den vergrauenden Hölzern und in jedem Frühling immer wieder auf das Neue zeigt, reagieren alle Stoffe auf das Licht. Aber nur wenige Stoffe sind geeignet, Licht so aufzunehmen, dass sich in ihnen die äusseren Lichtverhältnisse in aller Schärfe manifestieren lassen. Zur Gruppe dieser Stoffe gehören die Silberhalogenide, die aufgrund ihrer starken, in Verbindung mit dem Licht sich selbst zersetzenden Eigenschaften, in der Fotografie Verwendung finden. Silberhalogenide sind Silberverbindungen mit den Salzbildnern Brom, Chlor oder Iod. Für uns spielt in erster Linie das Silberbromid und das Silberiodid eine Rolle. Die Halogene Brom und Iod werden durch Lichteinwirkung chemisch so verändert, dass sie sich vom Silber abspalten. Das, was schliesslich auf dem Negativ schwarz erscheint ist das Ergebnis dieses Prozesses. Doch der Weg zum Ziel ist weit und bevor wir es erreichen, muss erst einmal gekocht werden...

Unsere Zutaten sind Wasser, Gelatine, Silbernitrat und die vorerst an das Kalium gebundenen Salze der Halogene Iod und Brom. Andere klassische Emulsionen arbeiten in leicht abgewandelten Formen mit Ammoniak- bzw. Ammoniumbromid oder mit Chloriden. Daran hat sich seit Maddox´ Erfindung der Trockenplatte vor etwa 150 Jahren nur wenig geändert. Die Bromsilbergelatine Emulsion ist das photochemische Verfahren, das seit seiner Vervollkommnung durch Charles Bennet 1878 bis zum heutigen Tag die lichtempfindliche Schicht auf unseren Filmen im Wesentlichen bestimmt. Man kann dieses Verfahren in 4 Schritte unterteilen: im ersten Schritt werden die vorerst noch wenig lichtempfindlichen Bromsilberkristalle aus der Reaktion von Silbernitrat mit Kaliumbromid in Gelatine gefällt und durch kontinuierliches Rühren unter Zufuhr von Wärme in Bewegung gehalten. Der zweite Schritt wird durch das rege Kristallwachstum der Silberbromidkristalle bestimmt. Dieses Phase wird als physikalische Reifung bezeichnet. Sie wird schliesslich durch Erkaltenlassen der Emulsion unterbrochen. Im dritten Schritt werden störende Salze aus der Emulsion herausgewaschen. Im vierten Stadium, dem Prozess der chemischen Reifung, wird die Lichtempfindlichkeit der Kristalle weiter gesteigert, komplexere Emulsionen werden sensibilisiert. Diese Phase findet schliesslich ihren Abschluss mit dem Auftragen der Emulsion auf einen Schichtträger.
Als Prozess bedingen alle Schritte einander. Wie bei der Zubereitung einer Mahlzeit muss man vorher wissen, was man als Ergebnis will. Die Fragestellungen lauten entsprechend: grobes oder feines Filmkorn, hohe oder niedrige Gradation, immer verbunden mit hoher oder niedriger Lichtempfindlichkeit der Emulsion.
Die Entdeckungsgeschichte der Lichtempfindlichkeit der Silberhalogenide ist zwar anfänglich eine Entdeckungsgeschichte der Zufälle. Aber bald schon wurde ihre Erforschung ein kommerziell ausgebeuteter Zweig der Photochemie, der durch die Erfindung der Digitalfotografie wieder in Vergessenheit gerät. Konzerne wie Kodak haben seit der Erfindung des fotografischen Films auf ihrem Weg hin zu immer ausgefeilteren Rezepturen und Apparaturen hunderttausende Tonnen von Silber umgesetzt und recycled, um die Herstellungsprozesse und die Qualität ihrer Emulsionen weiter voranzutreiben. Dabei wurde in dieser Forschung praktisch gearbeitet, denn anders als eine optische Linse kann man die Qualität einer neu zu entwickelnden Emulsion nicht berechnen. Man muss sie herstellen und testen, ähnlich wie Köche ihre Gerichte. Das ist bis heute so geblieben und das gilt für die Filmhersteller genauso, wie es für den selber beschichtenden Anfänger in der Dunkelkammer gilt. Aber es dauert, bis man ein Negativ in den Händen hält und weiss, was man zusammengebraut hat. Für den, der selber beschichtet, ist bis dahin alles Handarbeit. Doch auch die Chemiker und Fotografen der Pionierzeit mussten ohne Elektrodenkontrolle die Mischverhältnisse einer Emulsion und ihrer Reaktionen überprüfen und benutzten statt technischen Gerätschaften ihre Augen: denn die Emulsion verfärbt sich, je nach Rezept, von rot zu gelb über grün bis hin zum blau-violett. Ist die Emulsion in der Durchsicht blau, hat sie ihre maximale Lichtempfindlichkeit erreicht.
Das Kochen einer Emulsion ist also ein komplexer Prozess, der sich mit Unterbrechungen über mehrere Stunden hinzieht. Er muss sorgfältig und in Ruhe vor und während der Herstellung koordiniert werden. Wegen des Arbeitens im schwachen Rotlicht müssen die einzelnen Schritte nicht nur schon vorher klar im Bewusstsein und alles Werkzeug an seinem Platz sein, sondern vor allem muss der Prozess in der Folge auch sauber durch die Hände laufen. Das erfordert etwas Übung und Erfahrung, damit Raum für Beobachtungen bleibt. Das muss nicht zwingend beim ersten Mal gelingen. Aber wenn es gelingt, ist es eine wunderbare Sache.

Die hier vorgestellte einfache Emulsion basiert auf einem alten Kodakrezept und ist der sogenannten «Kodak Technical Document AJ-12» entnommen. Im Weiteren soll beschrieben werden, wie man sie zubereitet:




Utensilien zur Herstellung der Emulsion:

Feinwaage
(Nicht erforderlich, wenn die Chemikalien bereits als Lösungen gekauft werden)
Messbecher
für Kleinmengen unter 50mml (zum Abmessen des destillierten Wassers)
Elektrokocher
Plastiklöffel
zum Abwiegen der Chemikalien
Plastikstab
(z.B Esstäbchen) zum Rühren
kleiner alter Topf
für das Wasserbad der Emulsion
3 kleine Gläser
(z.B Teegläser mit Henkel aus hitzebeständigem Glas) zum Anmischen und Bereitstellen der Chemikalien
Gefäss
(z.B Milchkännchen) undurchsichtig, mit fein dosierbarem Ausguss zum Kochen und späteren Ausgiessen der Emulsion auf das Trägermaterial
Thermometer
bis 100 Grad Celsius (z.B das GEFU-Bratenthermometer, das bei Temperaturüberschreitungen mit einem akustischen Signal arbeitet)
Timer
mit akustischem Signal
Teigschaber
Lichtdichtes Gefäß
zum Abkühlen lassen der Emulsion im Kühlschrank (z.B eine alte Keks- oder Kaffeedose)
Nylonstrumpf
zum Auspressen der gewaschenen Emulsion
2 große Glasschalen
(z.B Salatschüsseln) zum Umschütten und Kontrollieren der Emulsion während des Waschens
2 Plastikeimer
(20l)
glatte und abwischbare Oberfläche
(z.B Glasscheibe) zum Ablegen der beschichteten Filme
Eiswürfelbereiter
Feinhaariger Pinsel
(Stärke 2-3)
Netz
(Stramin oder ähnliches) zum Durchpressen und "Nudeln" der erkalteten Emulsion
Dunkelkammerleuchte (Rot)
Plastikhandschuhe



Benötigte Chemikalien:

Kaliumiodid (reinst)
Kaliumbromid (reinst)
Silbernitrat (reinst)
Gelatine
Destilliertes Wasser


Die Emulsionsherstellung


Lösung A




5 g Kaliumbromid
45 ml destilliertes Wasser
1,25 g Gelatine
0,1 g Kaliumiodid ( = 1ml Kaliumiodidlösung 10%)

5 g Kaliumbromid abwiegen und in ein hitzebeständiges, lichtdichtes Gefäss (Milchkännchen) geben. 45 ml destilliertes Wasser hinzugeben und rühren, bis sich das Kaliumbromid restlos aufgelöst hat. 1 ml Kaliumiodid (20 Tropfen) hinzufügen. Anschliessend 1,25g Gelatine hinzugeben. 15 Minuten ruhen lassen, damit die Gelatine Wasser ziehen kann.

Lösung B


5g Gelatine
Destilliertes Wasser

5g Gelatine in einen Becher geben und großzügig mit destilliertem Wasser übergiessen. Gelatine quellen lassen.

Fortfahren mit Lösung A: Den Becher mit Lösung A in ein vorgeheiztes Wasserbad auf den Kocher stellen. Den Inhalt des Bechers auf 55 Grad erwärmen und ruhen lassen. In der Zwischenzeit Lösung C zu bereiten.

Von nun an in Rotlicht arbeiten.

Lösung C

5g Silbernitrat
50ml Wasser

5g Silbernitrat in 50ml Wasser gut auflösen.

Zusammenführen von Lösung A, B und C

Die eventuell leicht abgekühlte Lösung A im Wasserbad wieder auf 55 Grad erhitzen.
Anschliessend 2-3 ml der Silbernitratlösung (Lösung C) etwa alle 30 Sekunden über einen Zeitraum von 10 Minuten hin zur Kaliumbromidlösung (Lösung A im Wasserbad) hinzugeben. Messbecher mit feinem Ausgiesser verwenden. Während des Hinzufügens von Lösung C zu Lösung A Temperatur konstant auf 55 grad halten und mit dem Plastikstab oder Thermometer rühren.
Bei Überhitzung Kocher abschalten oder Emulsion vom Kocher herunternehmen.
Nach dem Hinzugeben des Silbernitrats (Lösung C) zu Lösung A Emulsion weitere 10 Minuten auf 55 Grad halten und reifen lassen.
In der Zwischenzeit mit der Vorbereitung der Lösung B fortfahren: das nicht in die Gelatine eingezogene Wasser abgiessen und Temperatur der Lösung A-C (im Wasserbad) wieder auf 55 Grad ansteigen lassen. Lösung B zu Lösung A-C hinzugeben. Temperatur wieder bis 55 Grad ansteigen lassen. Anschliessend dass Gefäss mit der Emulsion vom Kocher herunternehmen und in ein kaltes Wasserbad stellen (Wassertemperatur mit Eiswürfeln kühlen). Dann langsam unter Rühren abkühlen lassen bis die Emulsion leicht eindickt. Die nun fertige Emulsion in eines der Bechergläser umfüllen. Die Öffnung des Becherglases sollte groß genug sein, um die Emulsion später, wenn sie fest geworden ist, mit dem Teigschaber wieder herauskratzen zu können. Das Becherglas mit der Emulsion in die lichtdichte Dose stellen und einige Stunden (oder über Nacht) im Kühlschrank (nicht im Gefrierfach!) fest werden lassen. Im Gefrierfach einen Eiswürfelbereiter zum späteren Abkühlen des Waschwassers für die Emulsion bereitstellen.

Waschen der Emulsion

In der Dunkelkammer sollten zum Waschen der Emulsion bereit liegen:
Zwei große Glasschüsseln, Nylonstrumpf, Teigschaber, ein großer Messbecher (1l), ein sauberer Eimer mit kaltem Leitungswasser (ca. 15-20l), ein leerer Eimer gleichen Volumens und ein grobmaschiges Netz. Den Nylonstrumpf kürzen, es werden nur 15-20 cm des geschlossenen Teiles des Strumpfes (der Teil des Strumpfes, der zu den Zehenspitzen läuft) benötigt. Die Eiswürfel in den Eimer zu dem kalten Leitungswasser geben und etwas von dem Wasser (ca. 1 l) in die Salatschüssel umfüllen. Das Herunterkühlen des Waschwassers ist wichtig, sonst löst sich die Emulsion mit der Zeit im Wasser auf.
Die Emulsion aus dem Kühlschrank nehmen, im lichtdichten Behälter in die Dunkelkammer tragen und das Glas bei Rotlicht herausnehmen. Bis zum Ende der Beschichtung der Filme bei Rotlicht weiterarbeiten. Die Emulsion ist nun fest geworden wie ein "Glibber-Ball". Gummihandschuhe anziehen. Die Emulsion mit dem Teigschaber aus dem Glas kratzen, ins Netzt geben und durch das Gitter in das kalte Wasser der Salatschüssel durchpressen. Die so entstandenen "Emulsionsnudeln" mit der Hand im kalten Wasser der Salatschüssel ca. 2 Minuten hin und her bewegen und dann das Wasser der Schüssel samt Nudeln durch den Nylonstrumpf in den leeren Eimer abschütten. Das restliche Wasser anschliessend vorsichtig aus dem Strumpf pressen. Die so gewaschenen "Nudeln" nun wieder aus dem Nylonstrumpf in die Salatschüssel umfüllen, frisches Wasser hinzugeben und dabei die Reste aus dem Strumpf waschen. Diesen Vorgang wiederholen, bis die 15-20 l des kalten Wassers aufgebraucht sind.
Das Wasserbad im Topf auf dem Kocher zum Sieden bringen und köcheln lassen. Die "Nudeln" in in das lichtdichte Gefäss mit feinem Ausguss umfüllen und das Gefäss in das Wasserbad stellen. Die Emulsion bei 55 Grad 45 Minuten lang reifen lassen. Wenn die Temperatur über 55 Grad ansteigt, Emulsion aus dem Wasserbad nehmen. Nicht rühren! Nach 45 Minuten Kocher ausschalten und Emulsion langsam auf 40 Grad abkühlen lassen. Anschliessend sofort mit dem Beschichten der Filme beginnen.

Filmbeschichtung

Am einfachsten ist es, eine Glasplatte mit dunklem Untergrund etwa auf Brusthöhe auf einem Tisch zu platzieren. Die Glasfläche muss sich unbedingt "im Wasser" befinden, sonst verläuft die extrem flüssige Gelatine bis zum Trocknungszeitpunkt nicht gleichmässig zu den Rändern hin. Das Rotlicht sollte sich etwas über der Höhe der Glasplatte gegenüber des Punktes befinden, von dem aus beschichtet wird. Es ist nicht ganz leicht, die Polyesterfilme im (schwachen) Rotlicht auszumachen und ein Fluchten gegen die Lichtquelle hilft, die Filme als Umriss besser zu erkennen.
Der theoretische Wert für die Beschichtung eines Films bei einer Filmgröße von 4 1/2 Inch liegt bei 4ml Emulsion. Wo der wirkliche Wert liegt, zeigt sich sehr schnell, wenn man die flüssige Emulsion auf die Mitte des zu beschichtenden Materials giesst und dann mit einem kleinen feinhaarigen spitzen Pinsel gleichmässig zu den Rändern hin verteilt bzw. "schiebt".
Das sollte recht zügig geschehen, denn die Emulsion zerfliesst nur, solange sie warm ist. Es erfordert etwas Übung, doch mit der Zeit lassen sich auf diese Weise sehr gleichmässige Beschichtungen erzeugen. Wenn das Beschichten länger andauert, sollte die Emulsion immer wieder kurz auf 40 Grad erwärmt werden, damit die Viskosität erhalten bleibt.
Nach der Beschichtung muss die Emulsionsschicht trocknen. Je nach Temperatur und Feuchteverhältnisse im Raum kann dies zwischen 2 Tagen und bis zu einer Woche andauern.

Über die Inhaltsstoffe in der Bromsilbergelatine-Emulsion

Die Gelatine als Schutzkolloid

Kolloidale Zustände können sich in fester, flüssiger oder gasförmiger Umgebung abspielen, immer dann, wenn sich feine, gleichmässig verteilte Feststoffe in einem homogenen Medium aufhalten (z.B Staub oder Rußpartikel in der Luft, Silberbromidkristalle in Wasser und Gelatine.) Weiterhin grenzt die physikalische Chemie das Gebiet der Kolloide per Größendefinition ein. Das (für das Auge zunächst unsichtbare) an das Nitrat gebundene Silber des Silbernitrats befindet sich in Wasser gelöst ebenso in kolloidalem Zustand, wie das im klassischen Königswasser gelöste (sichtbare) kolloidale Gold. Fast alle lebendigen Prozesse, wie beispielsweise die chemischen Vorgänge im menschlichen Blutkreislauf, spielen sich in kolloidalen Verhältnissen ab. Sie sind die Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt der Austausch von Stoffen innerhalb eines Organismus möglich ist. Denn die gelösten Feststoffe im Schutzkolloid werden ein Stück weit der Erdenschwere enthoben, können sich länger in einem Schwebezustand halten, ähnlich wie unser Leib vor seiner Geburt, wenn er im Fruchtwasser der Gebärmutter schwimmt. Im Kolloid bleiben die Stoffe in winzigen Einheiten separiert und entwickeln so durch Streuung innerhalb eines tragenden Mediums eine Flächenwirksamkeit, die das Mineralische von der stets vorhandenen Tendenz zur Verklumpung abhält. Auch können Kristalle in so einem Medium wachsen. In der Fotografie ist Wasser und Gelatine das klassische Schutzkolloid der lichtempfindlichen Bromsilberkristalle.

Immer wieder wurde bemerkt, dass der Weg zum Film im Schlachthof beginnt. Denn überwiegend Schweine und Rinder liefern durch ihr Bindegewebe und ihre Knochen eine der wichtigen Grundlagen des bis heute gebräuchlichen fotografischen Films. Auch heute noch kann Gelatine in der lichtempfindlichen Schicht nicht vollkommen durch Kunstsoffe ersetzt werden.
Gelatine ist die Trägersubstanz und bildet den eigentlichen Körper der lichtempfindlichen Chemikalien in der Emulsionsschicht .
In dieser Trägerfunktion ist sie vollkommen selbstlos und anpassungsfähig. Sie ist klar und lichtdurchlässig, lässt sich in kaltem Wasser aufweichen und unter Hitzeeinfluss vollkommen verflüssigen, sie verklebt und haftet gut auf glatten Untergründen und trocknet schnell und relativ hart wieder aus. Wichtig für die Emulsionherstellung ist, dass die Reifeprozesse der Silberhalogenidkristalle, zwischen flüssigen und festen Zuständen der Gelatine hin und herpendelnd, reversibel sein müssen, ohne nennenswerten Einfluss auf die Gelatine selbst zu haben. Denn während des Kochens der Emulsion wird die Gelatine mehrfach erhitzt und abgekühlt. Auch für die nachfolgenden fotografischen Prozesse (Belichtung, latentes Bild) bis hin zur Entwicklung und Fixierung des belichteten Negativs ist Gelatine wegen ihrer hohen Durchlässigkeit auch für andere Chemikalien ( Entwickler, Fixierer) die unersetzliche Heimat für die Silbersalze.

Das Silber

Silber ohne Glanz ist grau. Schwarz und Weiss und ihre Mischung zu Grau werden als unbunte Farben bezeichnet. Hierbei nimmt das Grau als Mittler zwischen den Polaritäten einen besonderen Platz ein, denn aus den Primärfarben Rot, Gelb und Blau lässt sich das Grau mischen. In Anlehnung an das metallische Silber bezeichnen wir Silber als das zwischen Schwarz und Weiss angesiedelte Grau mit Glanz. Gold ist entsprechend die Primärfarbe Gelb mit Glanz. In der Mineralogie werden die einzelnen Glanzarten vom stärksten spiegelnden Glanz, dem Metallglanz bis hinunter zum Harz- bzw. Wachsglanz unterteilt. Als matt werden Mineralien ohne besonderen Glanz bezeichnet. Silber ist das Metall unter den Mineralien mit dem höchsten Glanz. Der Grad des Glanzes ergibt sich aus dem Reflexionsgrad des Lichtes an der sich spiegelnden Oberfläche eines beliebigen Gegenstandes. Frisch abgeschiedenes Silber reflektiert das Licht zu fast hundert Prozent. Diese Eigenschaft macht es zum idealen Schichtstoff für hochwertige Silberspiegel. Der hohe Reflexionsgrad dieser Spiegel ergibt sich aus der im Licht fast weiss erscheinenden Oberfläche des Silbers. Doch das Silber zeichnet sich durch eine weitere, dem Reflexionsgrad geradezu entgegengesetzte, Eigenschaft aus. Es ist ein Metall mit hohem Lichtabsorptionsvermögen. Der Grad der Absorption ergibt sich aus der Menge an Licht (oder Schall) die ein Stoff zu "schlucken" vermag. Der höchste Grad der Lichtabsorption wird durch schwarzen Samt erreicht. Wie kann nun ein und derselbe Stoff gleichzeitig in hohem Masse Licht reflektieren und Licht absorbieren? In der Mineralogie wird die Farbe eines Metalls durch den "Strich" bestimmt. Die sogenannte Strichfarbe entspricht in der Regel nicht der Farbe des in der Natur vorkommenden Minerals mit seinen oft zahlreichen Erscheinungsformen an der Oberfläche, sondern wird durch Zerreiben und Abstreichen des Abriebs über eine Porzellanfläche ermittelt. Hierbei zeigt das Silber, wie die meisten anderen Erze auch, die Farbe hellgrau. Als feinverteiltes Silber in einer Bromsilbergelatine Emulsion hingegen zeigen die Silberkristalle eine schwarze Farbe. Diese reine, im Silbernitrat feinverteilte Schwärze des Silbers ist es, die uns im entwickelten Schwarzweissnegativ als verdunkeltes gebundenes Licht erscheint. Das Silber verändert also seine Farbe, je nach der Größe seiner kristallinen Oberflächenstruktur von fast Weiss über Grau zu Schwarz.
Die Schwärze des Silbers spielt auch in einem anderen Zusammenhang eine Rolle. Anders als andere Platinmetalle hat Silber einen deutlich sichtbaren Makel: es steht in inniger Beziehung zum Schwefel. Das zeigt sich nicht nur in der Emulsion, wenn es die Nähe der Schwefelanteile der Gelatine sucht. Wenn Silber nicht gerade gediegen vorkommt, hat es in seinen tief verborgenen Lagerstätten häufig einen Hang zur Verbindung mit sulfidischen Mineralien (Silberglanz). Auch reagiert die Oberfläche des Silbers mit dem Schwefelwasserstoff der Luft und macht sie unansehnlich. Wie Gold, Platin und andere Edelmetalle, korrodiert Silber zwar nicht, aber es bildet sich schwarzes Silbersulfid, das einen unangenehmen Geruch verbreitet. Der Glanz des Silbers verschwindet. Um diese Schwärzung zu verhindern, will Silber bedeckt und geborgen lagern. Setzt man es dennoch der Luft aus und es wird schwarz, muss man die Schwärze entfernen, damit es zu seiner alten Ansehnlichkeit zurückfindet. Silber braucht Aufmerksamkeit und Pflege, soll es glänzen. Nicht nur aus diesem Grund dürfte dem Silber der Rang des ideellen Wertes, den Gold in unserer Kultur hat, fehlen. Silber steht nicht nur bei den Olympischen Spielen auf dem zweiten Platz, sein Wert liegt seit jeher weit hinter dem Wert des Goldes zurück. Silber ist die gemeine Währung, mit der die Menschheit viele Jahrtausende lang ihre Schulden beglich. Nicht das Gold der Tempel und Paläste ist Silber, sondern die Währung der Strasse.
Anders als das prunkhafte Gold hat Silber etwas schweres, kühles, fast dunkles und abweisendes an sich. In größerer Ansammlung als Zierrat in Form von Vasen und Bestecken zum Beispiel, ist der Glanz des Silbers eigenartig durchbrochen und von dunklen Schatten durchzogen, so, als würde Silber nicht nur das Licht spiegeln, sondern in Anwesenheit von Licht auch die Schattenwirkungen verstärken und auf seine Aussenfläche werfen. Licht und Schatten offenbaren sich gleichermassen an seiner plastischen, dichten und wandelbaren Oberfläche.

Salpetersäure

Salpetersäure ist eine Sauerstoffsäure des Stickstoffs. In reiner Form ist sie klar, dem Licht oder der Wärme ausgesetzt verfärbt sie sich gelb-rötlich. Mit Hilfe einer Hochspannungsquelle lässt sich Luftstickstoff und Luftsauerstoff in einer Reaktionskugel durch "Luftverbrennung" zu braun gefärbtem Stickstoffdioxid umwandeln. Wird das so entstandene Gas in Wasser gelöst, entsteht Salpetersäure. Auch Kaliumnitrat und Schwefelsäure reagieren zu Salpetersäure. Sie ist das klassische "Scheidewasser", da die (schwache) Säure Silberanteile aus Gold heraus zu lösen vermag. Es entsteht Silbernitrat.

Das Silbernitrat

Man nehme etwas Feinsilber, konzentrierte Salpetersäure, destilliertes Wasser und ein großes Becherglas. Um später nicht giftiges Stickstoffoxyd inhalieren zu müssen, begebe man sich ins Freie. Man gebe nun das Silber in das Becherglas und reichlich Wasser hinzu und erhitze beides bis kurz vor den Siedepunkt. Nun gebe man in kontrollierten Einheiten Salpetersäure in das Glas, lasse es mit dem Silber reagieren, bis sich die alsbald einsetzende hitzeerzeugende Reaktion wieder verlangsamt. Man gebe schubweise solange Salpetersäure hinzu, bis sich auf dem Restsilber keine Blasen mehr bilden. Im Anschluss filtriere man die Lösung in heissem Zustand und dampfe die gereinigte Lösung ein, bis sich eine kristalline Trübung bildet. Dann lasse man die Lösung abkühlen und sich endgültig auskristallisieren. Als Ergebnis erhält man Silber, verbunden mit dem Salz der Salpetersäure (Nitrat) auch Höllenstein oder Lapis infernalis genannt.

Reines Silbernitrat ist nicht lichtempfindlich. Kommt es jedoch mit der Haut in Berührung reagiert es mit dem Eiweiss der Haut und sie wird schwarz. Mit Staub in Verbindung gebracht zersetzt sich Silbernitrat durch Lichtwirkung. Durch Reduktion entsteht fein verteiltes schwarzes Silber.

Vom Halogen zum Silber: Stammbaum der Silberhalogenide

Die Halogene (Cl, Br, I)

Die 7. Hauptgruppe des Periodensystems besteht aus der reaktionsfreudigen Gruppe der Halogene (Salzbildner) die sich aus 5 oder 6 Elementen zusammensetzt. Drei dieser Elemente sind für die Fotografie von Bedeutung: das Chlor, das Brom und das Iod.


Von Links nach rechts: Chlor, Brom, Iod.
Quelle: W. Oelen Wikimedia Commons

Chlor

In elementarer Form ist Chlor eines der reaktivsten Elemente des Periodensystems und verbindet sich mit fast allen anderen Elementen. Im Normalzustand ist es ein gelb-grünliches Gas (Kugel 1). Seine bekannteste Verbindung ist das Natriumchlorid (Kochsalz). Es kommt in der Natur kaum elementar vor.

Brom

Brom steht im Periodensystem unter den Halogenen an mittlerer Stelle. Es kommt in der Natur nur als Verbindung vor. Das meiste Brom ist im Meerwasser, in Salzlagerstätten oder Salzseen gebunden. In elementarer Form ist Brom unter Normalbedingungen flüssig. (Kugel 2). Die stechend riechende, rotorange Flüssigkeit neigt bereits bei durchschnittlichen Temperaturen dazu, sich zu verflüchtigen.

Iod

Seine Farbe ist schwarz wie Kohle, mit schimmerndem Glanz. Iod ist im Normalzustand fest (Kugel 3). Auch Iod ist ein Lichtschlucker. Wenn man eine Iodlösung in den Strahlengang eines Spektrums einschaltet, wird der gesamte Lichtteil des Spektrums absorbiert. Lediglich der unsichtbare Teil des Spektrums (ultraviolett und ultrarot) können die Iodlösung passieren.

Die Halogenwasserstoffe

Die Halogene Brom, Chlor und Iod lassen sich mit Wasserstoff verbinden. Das Ergebnis dieser Verbindung sind die Halogenwasserstoffe. In Verbindung mit dem Wasserstoff treten nun alle Halogene als farblose, stechend riechende Gase auf.

Die Halogenwasserstoffsäuren

Die Halogenwasserstoffe Chlor- Brom-, und Iodwasserstoff werden in wässriger Lösung zu den stark sauren Halogenwasserstoffsäuren umgewandelt. Es entstehen die Halogensalze, die in ihren Verbindungen z.B mit Kalium oder Silber auch als Bromide, Iodide und Chloride bezeichnet werden.

Das Kalium

Das Kalium ist ein Metall aus der Gruppe der Alkalimetalle mit leicht aufbrausendem Charakter. Alkalimetalle sind silbrig weisse, mit dem Messer schneidbare Leichtmetalle mit geringer Dichte, die teilweise äusserst heftig mit Wasser, mit der Luft oder mit den Halogenen reagieren. Da man das in der Natur nur gebunden vorkommende Kalium aus Pflanzenasche gewinnen kann (Kaliumcarbonat), wird es in vielen Sprachen auch als Potassium bezeichnet. Wie das Silber überzieht sich das der Luft ausgesetzte Kalium innerhalb kürzester Zeit an der Oberfläche mit einer bläulichen Haut, die sich zu einer regelrechten Kruste auswächst und wandelt sich im weiteren Verlauf allmählich zu Kaliumcarbonat (Pottasche) um. Kalium spielt in den Aufbauprozessen des menschlichen Körpers und im Pflanzenwachstum eine wichtige gestaltbildende Rolle.


"Haut"-bildendes Kalium mit oxydierter Oberfläche.
Quelle: BXXXD Wikimedia Commons

Vom Kalium zu den Alkalihalogeniden

Alkalihalogenide sind Verbindungen der fünf Alkalimetalle mit den Salzen der Halogenwasserstoffe. Alle Alkalihalogenide sind farblose, kubisch kristallisierende Feststoffe. Für die Fotografie von Bedeutung sind die Verbindungen des Kaliums mit der Iodwasserstoffsäure, Bromwasserstoffsäure und der Chlorwasserstoffsäure.

Das Kaliumbromid

Das Kaliumbromid auch als Bromkalium oder Bromsaures Kalium bzw Potassium Bromide bezeichnet, ist die Verbindung der Bromwasserstoffsäure mit Kalium. Seine Farbe als Pulver oder in kristalliner Form (Würfel) ist weiss, in Wasser gelöst ist es klar. Das Kaliumbromid ist in der oben beschriebenen Bromsilbergelatine-Emulsion der Hauptreaktionspartner des Silbernitrates und liefert dem Silber das Halogen.

Das Kaliumiodid

Kaliumiodid ist ein weisses, sich gut in Wasser lösendes, ungiftiges Salz aus der Verbindung des Kaliums mit der Iodwasserstoffsäure. Unter Lichteinwirkung zerfällt es langsam und verfärbt sich gelb. Es entsteht das Iod.

Das Kaliumclorid

Kaliumclorid ist ein ungiftiges, salzig-bitter schmeckendes, Kaliumsalz.

Vom Kalium zu den Silberhalogeniden

Die drei Silberhalogenide werden durch die Trennung des Kaliums von seinem Halogenwasserstoffsäureanteilen hergestellt. Der Halogenwasserstoffsäureanteil wiederum verbindet sich mit dem Silberanteil des Silbernitrates. In diesem Prozess scheidet das Nitrat (Salz der Salpetersäre) und das Kalium aus, die sich zu Kaliumnitrat (Kalisalpeter) vereinigen. Die so entstandenen Silberhalogenid Verbindungen heissen Silberclorid, Silberbromid und Silberiodid. Die Halogene, nun von ihrer Salzigkeit im Wässrigen gelöst, treten wieder rein mit dem Silber in Verbindung. Alle drei Verbindungen besitzen bereits einen gewissen Grad an Lichtempfindlichkeit, die vom Silberchlorid zum Silberiodid zunimmt.


Silberhalogenid-Niederschläge. Von links nach rechts: Silberchlorid (AgCl), Silberbromid (AgBr), Silberiodid (AgI).
Quelle: Rrausch1974 Wikimedia Commons

Die Silberhalogenide

Silberhalogenide sind also Silberverbindungen mit den Halogenen Brom, Chlor und Iod. Alle drei Silberverbindungen sind in Wasser praktisch unlöslich, was für den im wässrigen Element stattfindenden Entwicklungsvorgang wichtig ist. Gelöst werden kann das (unbelichtete) Halogensilber nur mit Hilfe eines Fixiersalzes. In der Regel werden die Silberhalogenide in der Fotografie durch Ausfällen aus einer Silbernitratlösung mit Hilfe der Alkalihalogenide hergestellt. Silberbromid, Silberchlorid und Silberiodid kommen in der Natur auch als reine Verbindungen vor:


Gruppe bräunlicher Bromargyritkristalle mit flachem, hexagonalem Habitus auf Alunit.
Quelle: Maurizio Dini Wikimedia Commons

Silberbromid

Das Brom zeigt auch in der Welt der Mineralien seine Nähe zum Silber im wachsweichen Bromargyrit. Seine transparente bis durchscheinende Farbigkeit ist je nach Auftreten grünlich braun, graugrün, gelb bis hin zum olivgrün. Nicht immer bildet das Silberbromid des Bromargyrits kubische oder oktaedrische Kristalle wie im Bild oben zu sehen ist. Oft erscheint es als Kruste oder als massiges Aggregat. Wird der Bromargyrit dem Licht ausgesetzt, verfärbt sich das Mineral braun bis schwarz.


Blaugraues Chlorargyrit-Aggregat auf Quarz-Matrix: Aggregatgröße ca. 4 mm.
Quelle: Manfred Groß Wikimedia Commons

Silberchlorid

Silberchlorid kommt in der Natur als Chloragyrit vor. Wie den Bromagyrit findet man den Chloragyrit eher selten in silberreichen Lagerstätten. Dem Licht ausgesetzt verfärbt sich der weiche Chloragyrit von violett bis schwarz, an der Luft läuft er gelb an. Seine Oberfläche ist glänzend, seine farbigen Erscheinungen reichen von weiss bis hin zum hell-gelbgrün. Manchmal tritt er farblos auf, mit einer transparenten bis durchscheinenden Opazität.


Iodargyrite.
Quelle: Rob Lavinsky Wikimedia Commons

Silberchlorid

Der Iodargyrit ist die natürlich vorkommende Verbindung des Silbers mit dem wasserstoffreien Halogen Iod. Seine Farbe ist perlgrau, gelbgrün und reicht bis hin zum Braun. Auch er kann farblos in Erscheinung treten.

Die Chemie der Bromsilber-Gelatine-Emulsion

Das Ausfällen von Silberbromid im Gelatineschutzkolloid

In ungelöstem Zustand ist das Kaliumiodid und das Kaliumbromid weiss, kristallin und geruchlos. Das Silbernitrat liegt in fester Form als spitze, farblose und durchsichtige tafelförmige Kristalle oder als Pulver vor. Für sich betrachtet sind alle für die Silberbromid-Emulsion benötigten Stoffe in Wasser gelöst anfangs klar und durchsichtig. Das gilt auch für die Gelatine. Die Trübung in der Emulsion entsteht, wenn Silbernitrat (im Rezept oben: Lösung C) und Kaliumbromid (Lösung A, einschließlich Kaliumiodid) in einer Lösung vereint werden. Aufgrund von Übersättigung fallen winzige Silberbromidmikrokristalle aus, die einen sich langsam absenkenden Niederschlag bilden. Durch flüssige Gelatine wird dieser Silberbromid-Niederschlag, der ohne Rühren in der Emulsion als Bodensatz ausklumpen würde, gleichsam in der Schwebe gehalten.
Werden das Silbernitrat und die Alkalihalogenide hingegen im Laborversuch ohne Schutzkolloid nur in wässriger Lösung gefällt, senkt sich in der nun milchig-gelblich-weiss gewordenen Flüssigkeit bald ein gräulicher lichtempfindlicher Niederschlag ab (siehe Bild oben: Silberhalogenid Niederschläge Reagenz AgBr). Belichtet man diese Niederschläge, so werden sie schwarz. So zerfällt Silberbromid in der Anwesenheit von Licht in seine elementaren Bestandteile von Brom und Silber. Das wässrige Brom verdunstet, das feinzerteilte reine Silber erscheint nun schwarz. Bei Tageslicht ist dieser (bereits anfänglich belichtete) und nun grau erscheinende Schleier in der milchig-gelben Emulsion gut zu erkennen:


Das Bromsilber in dem überschüssigen löslichen Bromid, ist nach der Fällung im auffallenden Lichte leicht gelblich-grün und lässt in dünner Schicht gegen das Licht betrachtet anfangs zart rotes Licht durch. Mit einem durchsichtigen Feststoff als Unterlage lässt sich dieser Zustand überprüfen.

Trocknet die Schicht im Tageslicht und bei Raumtemperatur weiter, verdunstet das zuvor ans Silber gebundene Bromid und mit ihm verschwindet der Gelbton der Emulsion restlos, die Emulsionschicht wird innerhalb weniger Stunden hellgrau, nach einigen Tagen dunkelgrau (S. Bild unten 1-2, 3-5).


Kaliumiodid

Das Kaliumiodid, während der Fällung sichtbar als gelber Niederschlag zu Silberiodid umgewandelt, wird der Lösung A in sehr geringer Menge zugesetzt (0,1g). Dieser Umstand betrifft nicht nur die Kodakemulsion sondern alle Bromsilber-Gelatine- Emulsionen. In der entstehenden Silberbromid-Kristallstruktur führt das Silberiodid zu Instabiität und beschleunigt später so Prozesse, die unter Belichtung zum latenten Bild in der Emulsionsschicht führen. Nach dem Entwickeln der belichteten Emulsion bewirkt es zusätzlich eine schärfere Zeichnung des Negativs. Ausserdem ermöglicht die Zugabe von Iodid eine längere chemische Reifezeit während des Kochens der Emulsion und verhindert die Verschleierung der Negative. In der Regel hängt eine Verschleierung der Emulsion mit zu langen Reifezeiten zusammen. Lange Reifezeiten bedeuten jedoch auch ein besseres Kristallwachstum bzw. eine höhere Lichtempfindlichkeit der Emulsion.

Kristallwachstum

Die Fällungsbedingungen bestimmen die anfängliche Größe der Silberbromidkristalle. Während des Zugiessens des Silbernitrates (Lösung C) in die kaliumbromid (Lösung A) spielt die Art und Weise, wie das Silbernitrat hinzugeben wird, eine entscheidende Rolle. So führt sehr schnelles Zugiessen des Silbernitrates (Schnelleinlauf) später zu einer wenig empfindlichen Emulsion. Die Kristalle sind gleichmässig klein, die Gradation der Emulsion ist steil (Starke Schwärzung, hoher Kontrast). Um eine bessere Korngrößenverteilung (Kristalle unterschiedlicher Form und Größe) zu erzielen, wird in manchen Emulsionsrezepten die Zugabemenge des Silbernitrates aufgeteilt. Die erste Hälfte Silbernitrat wird sehr schnell, die zweite Hälfte wird der Alkalihalogenidlösung sehr langsam zugegossen. Ein gleichmässig langsames Zugiessen über einen längeren Zeitraum führt zu einer höheren Lichtempfindlichkeit der Emulsion und zu größerer Kristallbildung, aber auch zu schwächeren Kontrasten des entwickelten Negativs.
Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Arten der Silbernitrat Zugabe zur Halogenidlösung. In unserem Falle wird das Monoeinlaufverfahren angewendet, das im Gegensatz zum Doppeleinlaufverfahren (Lösung A und C werden gleichzeitig vermengt) zwar einfacher, in der Folge aber auch in den Reaktionen der Chemikalien unkontrollierter abläuft. Das betrifft vor allem die Art der Ausformung der Silberbromidkristalle. Die Kristallformen beim Monoeinlaufverfahren bestehen aus Oktaedern (meist nur unvollkommen ausgebildet), Kuben und Tafeln und in der Überzahl aus irregulären Kristallformen unterschiedlicher Größe. Doppeleinlaufverfahren erzeugen je nach Art der Emulsion ausschliesslich Tafelkristalle (T-Grains), Kuben oder Oktaeder gleicher Größe.
Hier abgebildet sind Kristallisationszustände der Silberbromidkristalle zweier Emulsionsarten:


Die Kristallformen hängen aber nicht nur von der Einlaufart des Silbernitrates ab, sondern auch von der Art der Emulsion. Es wird zwischen Siedeemulsionen und Ammoniakemulsionen unterschieden. Ammoniakemulsionen werden unter Zugabe von Ammoniak bei Temperaturen um die 35 Grad gekocht. Siedemulsionen, zu der auch die Kodakemulsion zählt, arbeiten in dieser Phase mit Temperaturen zwischen 40 und 100 Grad ohne Zugabe von Ammoniak. Siedeemulsionen bilden scharfkantige Kristalle. Die mit niedriger Temperatur arbeitende Ammoniakemulsion hingegen bildet fast runde "Kristallkörper" aus. Das spitze Kristalltypische wird hier wie zurückgedrängt, ohne dass der Kristall dabei zerstört wird. Dennoch ist die Korngrößenverteilung in beiden Fällen etwa gleich breit, die Gradation des späteren Negativs ist in beiden Fällen weich.

Physikalische Reifung

Als physikalische Reifung, auch Oswald-Reifung genannt, wird der Prozess nach der Entstehung der Silberbromidkristalle bezeichnet. Je nach angestrebtem Ergebnis zieht sich die Reifung über 10 Minuten bis zur Dauer von einer Stunde hin. Entscheidend ist in dieser Phase die Frage, welche Art von Silberbromidkristallen "gezüchtet" werden soll. Denn die Lichtempfindlichkeit der Emulsion hängt von der Größe der Kristalle ab. Große Kristalle bedeuten einen großen Lichteinfangsquerschnitt. Je länger die Reifezeit, desto größer werden die Kristalle. Denn in Folge dieses selbstablaufenden kolloidchemischen Prozesses des Kristallwachstums gruppieren sich die kleinen instabilen Silberbromidkristalle um. Die kleinen Kristalle lösen sich auf, um in den größeren Kristallen wieder aufzuwachsen. Je länger die Reifezeit andauert, desto mehr verbreitert sich die Korngrößenverteilung. Die großen Kristalle wachsen auf Kosten der Kleinen. Die mittlere Korngröße nimmt zu (die Lichtempfindlichkeit steigt), die Anzahl der Körner hingegen verringert sich. Sogenannte Reifegelatine wird der Emulsion während der physikalischen Reifung hinzugegeben um Reifekeime, sogenannte Myzellen zu bilden. In industriell gefertigten Emulsionen werden noch zahlreiche weitere Hemm- und Reifekeime hinzugefügt wie z.B Gold, Platin, Quecksilberverbindungen um nur einige wenige zu nennen. Nach der Reifung wird die Emulsion zügig herunter gekühlt um das Kristallwachstum kontrolliert zu beenden. Die Emulsionsschicht erscheint nun bei auffallendem Licht milchig-gelb, in dünner Schicht an den Rändern bei Durchsicht blau-violett. Die blau-violette Farbe zeigt an, dass die Emulsion nun bereits einen recht hohen Grad an Lichtempfindlichkeit erlangt hat.

Waschen

In alten Fotografie-Magazinen der Pionierzeit wird von Waschzeiten der erkalteten Emulsion gesprochen, die sich über viele Stunden, ja Tage hinziehen. Damit die Gelatine der geschredderten Emulsion nicht weich wird, geschieht dies bei einer Wassertemperatur, die zwischen 3-7 Grad, auf keinen Fall über 13 Grad liegen sollte. Beim Waschen werden vor allem die noch in hohen Konzentrationen vorhanden wasserlöslichen Salze, wie das Kaliumnitrat und Reste des Kaliumbromid, ausgewaschen. Als Ergebnis der neuen Verbindung Silbernitrat/Kaliumbromid zu Silberbromid bleibt das für die Emulsion wenig förderliche Kaliumnitrat übrig. Das Kaliumnitrat würde im Trocknungsvorgang der beschichteten Filme auskristallisieren und zu Brüchigkeit der Emulsionsschicht führen. Im Bild unten ist die, nach der physikalischen Reifung und vor dem Waschen entnommene und bereits lichtempfindliche, Emulsion nach der Trocknung gegen das Tageslicht fotografiert worden. Man sieht in der Durchsicht den gräulich-bläulichen Farbton der auf das Licht reagierenden Emulsion.


Die nadelförmige Kristallstruktur aufgrund des noch vorhandenen Kaliumnitrates, führt zu einer deutlichen Störung in der Oberfläche der Emulsion:


Nadelförmiges, reines grobkristallines Kaliumnitrat.
Quelle: Wikimedia Commons

Nach dem Waschen und dem Entfernen des Kaliumnitrates hingegen trocknet die Schicht vollkommen homogen ab. Es bilden sich keine weiteren Kristalle mehr.

Chemische Reifung und Sensibilisierung

Für die oben beschriebene Kodakemulsion bedeutet die chemische Reifung lediglich eine Phase der Steigerung der Lichtempfindlichkeit. Die vor dem Waschen geschredderte Emulsion wird wieder erwärmt, gerührt wird bis zum Beschichten der Filme gar nicht mehr. Das Kristallwachstum ist mit der physikalischen Reifung weitestgehend abgeschlossen. Wichtig ist, dass die Temperatur nicht zu stark überschritten wird, da dies Schleierbildung in der Emulsion begünstigt.

Sensibilisierung der Fotografischen Schicht

Die Darstellungen der abgebildeten äusseren Verhältnisse auf einer Fotografie sind in vielerlei Hinsicht mangelhaft. So können z.B die realen Lichtverhältnisse der Aussenwelt nur im Bereich von 1 zu 100 auf einem Schwarz-Weiss-Negativ wiedergegeben werden. Das heisst, das tiefste Schwarz eines guten Negativs bildet lediglich ein Hunderstel des auf den äusseren Gegenständen wirklich vorhandenen Lichtes ab. Ein weiterer Mangel bestand zumindest in den Anfängen der Fotografie darin, dass die Farben auf einer Schwarzweissfotografie nicht in ihren korrekten Grauwerten dargestellt werden konnten. Denn Silberhalogenid Emulsionen, zu der auch die Kodakemulsion gehört, sind nur für blaugrünes, blaues und ultraviolettes Licht empfänglich. Dabei steigt die Empfänglichkeit bis hin zu blaugrünen Licht je nach Art der Emulsion an. Silberchlorid Emulsion geben Farben bis dunkelblau (425 mn) in den richtigen Grauwerten an, Silberbromidemulsionen Farben bis hellblau (480 mn) und Silberbromidemulsion mit Silberiodidanteil geben Farben bis blaugrün (520 mn) in Grauwerten korrekt wieder.


Das bedeutet für unsere Kodakemulsion, dass die äusseren Farben im Grün-, Gelb- und Rotbereich in Grauwerten umgesetzt fehlerhaft wiedergegeben werden. Bei Filmen mit falscher Umsetzung der Farbwerte aufgrund von fehlender Sensibilisierung für rotes, grünes oder gelbes Licht, spricht man von Filmen ohne Sensibilisierung. Lichtempfindliche Schichten müssen also für die naturgetreue Farbwiedergabe sensibilisiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Schwarz-Weiss oder um Farbfilme handelt. Die richtige Wiedergabe der Farben in Grauwerten muss in der Schwarzweissfotografie ebenso chemisch beeinflusst werden, wie die Farbwiedergabe im Farbfilm. Hermann Wilhelm Vogel, ein deutscher Chemiker, versuchte über viele Jahre hinweg das Silberbromid mit Hilfe von Zusatzstoffen für den gesamten Spektralbereich zu sensibilisieren. Seine Bemühungen wurden schliesslich 1873 durch die Entdeckung des Eosins, einem roten organischen Farbstoff, der dem Silberbromid angeheftet wird, gekrönt, die nun die Farbumsetzung des Spektralbereiches in korrekten Grauwerten bis hin zum Orange (600mn) ermöglichte. Man spricht hier von Orthochromatischer Sensibilisierung. Dabei ist orthochromatisch(von griechisch: orthos =richtig, chromos=Farbe) ein irreführender Ausdruck, denn es fehlte noch der ganze spektrale Bereich zwischen 600 und 780 mn (Rot). Auch diesen, für den Menschen noch sichtbaren, Bereich der Farbe in Grauwerten darzustellen, wurde schliesslich mit der panchromatischen Sensilisierung (von griechisch: pan = „alles“, „ganz“, „gesamt“, „völlig“ ) erreicht. Die Panchromatische Sensibilisierung war die Vorraussetzung für die Entwicklung der Farbfotografie.


Später wurden noch hyperchromatische und Infrarot-Emulsionen entwickelt, die die Empfindlichkeit des Bromsilbers bis in den Infrarotbereich (1300 mn) hinein sensibilisierten.
Für ein Grundverständnis des fotografischen Prozesses reicht das genauere Studium der Bildentstehung in der klassischen Bromsilbergelatineemulsion vollständig aus. Alles, was über diese hinausgeht, vom orthochromatisch über panchromatisch sensibilisiertem Film bis hin zum Farbfilm ist nicht unwichtig, aber im Grunde genommen nur eine chemische Verfeinerung bzw. Variation des Grundprinzipes der Bromgelatineemulsion, mit einer verwirrend großen Vielfalt an Stoffen, Schichtungs und Entwicklungstechniken. Ein vollkommen neues Zeitalter wurde hingegen mit der Digitalfotografie eingeläutet, die einer besonderen Betrachtung bedarf.

Benutzte Quellen

Papier:

Eduard Valenta: Photographische Chemie und Chemikalienkunde
Ansel Adams: Das Negativ
Rudolf Hauschka: Substanzlehre. 8 Auflage, 1981, Seite 22
Hermann Vogel: Die chemischen Wirkungen des Lichts
Arnold F. Holleman: Lehrbuch der anorganischen Chemie
Jost J. Marchesi: Handbuch der Fotografie
Hans K. Kerner: Lexikon der Reprotechnik, Teil 1
M. Reed und S. Jones: Silver Gelatin - A User´s guide to photographic Emulsions
Bernd Busch: Belichtete Welt, Texte zur Fotografie Herausgegeben von Bernd Stiegler
Werte nach Hansel: Die Chemie der fotografischen Prozesse, 1984, S. 29

Web:

Wikipedia – Die freie Enzyklopädie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite

Mineralienatlas:
http://www.mineralienatlas.de/index.php

Emulsionsrezepte aus Wolfen:
http://forum.phototec.de/read.php?3,76826

The Light Farm:
http://www.thelightfarm.com/

Photographisches Journal:
http://books.google.de/books?id=gLQaAAAAYAAJ&pg=RA2-PA7&dq#v=onepage&q&f=false

Chempage- Fotografie:
http://www.chempage.de/lexi/lexifoto.htm

Grundbausteine der Fotografie - die Emulsion:
http://www.fotografie-in-schwarz-weiss.de/

Silver Gelatin Based Emulsion Making & Coating:
http://www.apug.org/forums/forum205/

Naturwissenschaftliches Arbeiten:
http://www.seilnacht.com/

Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie:
http://www.chemieunterricht.de/dc2/

Chemische Grundlagen der Farbfotografie:
http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/farbfotografie/farbfoto.htm

Verband der Chemischen Industrie:
https://www.vci.de/Downloads/Texth.pdf